Der gewöhnliche Aufenthalt und seine Bedeutung im Steuerrecht
26. Juni 2024
Der gewöhnliche Aufenthalt und seine Bedeutung im Steuerrecht
Der Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" spielt im deutschen Steuerrecht eine zentrale Rolle, insbesondere wenn es um die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht geht. In diesem Blogbeitrag erklären wir, was der gewöhnliche Aufenthalt ist, wer davon betroffen ist, wie er berechnet wird und welche Auswirkungen er bei einem Wegzug haben kann. Außerdem zeigen wir anhand eines Beispiels, wie der gewöhnliche Aufenthalt in der Praxis beurteilt wird.
Was ist der gewöhnliche Aufenthalt?
Nach § 9 der Abgabenordnung (AO) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition ist unabhängig davon, ob die Person einen Wohnsitz hat oder nicht. Der gewöhnliche Aufenthalt führt, ähnlich wie der Wohnsitz nach § 8 AO, zur unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Nach § 1 Einkommensteuergesetz (EStG) begründet der gewöhnliche Aufenthalt ebenso wie der Wohnsitz die unbeschränkte Steuerpflicht.
Wer ist betroffen?
Natürliche Personen, die sich über einen längeren Zeitraum in Deutschland aufhalten, sind von der Regelung des gewöhnlichen Aufenthalts betroffen. Dies gilt auch für Personen, die sich regelmäßig in Deutschland aufhalten, wie zum Beispiel Grenzgänger, Gastarbeiter oder auch Geschäftsreisende, deren Aufenthalte sich summieren.
Wie berechnet sich der gewöhnliche Aufenthalt?
Der gewöhnliche Aufenthalt liegt vor, wenn sich eine Person länger als sechs Monate in Deutschland aufhält. Dieser Zeitraum muss nicht innerhalb eines Kalenderjahres liegen, sondern kann auch auf mehrere Monate verteilt sein. Kurzfristige Unterbrechungen des Aufenthalts, zum Beispiel durch Urlaub oder Geschäftsreisen, werden nicht berücksichtigt. Entscheidend sind die tatsächlichen äußeren Umstände, die auf einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt schließen lassen.
Auswirkungen bei der Auswanderung
Bei einer Auswanderung spielt die Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts eine entscheidende Rolle für die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Es reicht nicht aus, nur den Wohnsitz abzumelden, auch der gewöhnliche Aufenthalt muss nachweislich aufgegeben werden. Dazu sollte sich die Person über einen längeren Zeitraum, idealerweise mindestens sechs Monate, nicht mehr in Deutschland aufhalten. Besuche sollten auf ein Minimum reduziert und dokumentiert werden, um keine Zweifel an der Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts aufkommen zu lassen.
Beispiel
Sachverhalt
Herr Meier möchte nach Portugal auswandern. Er meldet seinen Wohnsitz in Deutschland zum 31. Dezember 2023 ab und reist am 5. Januar 2024 aus. Im Jahr 2024 hält er sich in folgenden Zeiträumen in Deutschland auf
bis 15. März (15 Tage)
bis 20. Juni (11 Tage)
bis 15. Oktober (15 Tage)
Da sich Herr Meier nicht länger als sechs Monate (183 Tage) in Deutschland aufgehalten hat, gilt er für das Jahr 2024 als nicht unbeschränkt steuerpflichtig.
Analyse des Beispiels
Aufgabe des Wohnsitzes: Herr Meier meldet seinen Wohnsitz zum 31. Dezember 2023 ab.
Wegzug: Herr Meier ist am 5. Januar 2024 aus Deutschland weggezogen.
Aufenthalt in Deutschland: Herr Meier hat sich im Jahr 2024 insgesamt 41 Tage in Deutschland aufgehalten.
Da sich Herr Meier innerhalb der letzten zwölf Monate nicht länger als 183 Tage in Deutschland aufgehalten hat und die Aufenthalte keine zusammenhängende Dauer von mehr als sechs Monaten ergeben, gilt er nicht als unbeschränkt steuerpflichtig. Er hat somit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland wirksam zum Tag der Ausreise am 5. Januar 2024 beendet.
Durch die Planung seiner Aufenthalte und die rechtzeitige Abmeldung seines Wohnsitzes hat Herr Meier seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland erfolgreich beendet. Damit hat er auch seine unbeschränkte Steuerpflicht beendet und ist in Portugal steuerpflichtig.
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