Neue Wegzugsbesteuerung ab 2025: Was sich für Privatpersonen ändert
6. Dezember 2024
Die Wegzugsbesteuerung ist ein Instrument des deutschen Steuerrechts, das bisher vor allem Gesellschafter von Kapitalgesellschaften betraf, die ihren steuerlichen Wohnsitz ins Ausland verlegen oder Vermögen ins Ausland übertragen. Ab dem 1. Januar 2025 wird diese Besteuerung jedoch erheblich ausgeweitet: Auch Privatanleger, die Anteile an bestimmten Investmentfonds halten und aus Deutschland wegziehen oder Anteile unentgeltlich auf Personen im Ausland übertragen, können dann von der Wegzugsbesteuerung betroffen sein. Dies erweitert den Kreis der potenziell Betroffenen erheblich und stellt insbesondere vermögende Privatpersonen vor neue Herausforderungen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Neuregelungen, deren Hintergründe und mögliche Handlungsoptionen erläutert. Ein Beispiel veranschaulicht die Neuregelungen in der Praxis.
Hintergrund: Was ist die Wegzugsbesteuerung?
Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz, AStG dient dazu, eine fiktive Veräußerungsbesteuerung für bestimmte Wirtschaftsgüter vorzunehmen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an diesen Wirtschaftsgütern endet. Bisher war dies vor allem bei Anteilen an Kapitalgesellschaften relevant. Zieht z.B. ein Gesellschafter ins Ausland oder vererbt bzw. verschenkt er Anteile „grenzüberschreitend“, so wird unterstellt, dass er seine Beteiligung veräußert hat. Auf diese Weise sollen bisher in Deutschland aufgelaufene Wertsteigerungen nicht unversteuert bleiben, nur weil der Steuerpflichtige seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt oder das deutsche Veräußerungsrecht durch andere Vorgänge verloren geht.
Dabei wird in Kauf genommen, dass es häufig nicht zu einer tatsächlichen Veräußerung und damit zu einem Liquiditätszufluss kommt. Dies führt zu sog. „dry income“, bei denen Steuern anfallen, ohne dass ein entsprechender Veräußerungserlös bzw. Liquiditätszufluss vorliegt.
Ausweitung auf Investmentfonds ab 2025
Ab dem 1. Januar 2025 wird die Wegzugsbesteuerung auch auf Anteile an Investmentfonds ausgedehnt. Diese Neuerung kann nicht nur unternehmerisch tätige Personen betreffen, sondern auch Privatpersonen mit größeren Fondsbeteiligungen. Damit werden deutlich mehr Anleger als bisher in den Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung fallen.
Betroffen sind:
Personen, die innerhalb der letzten zwölf Jahre vor dem Wegzug oder der Veräußerung der Anteile mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren.
Bestimmte Investmentfondsanteile, die im Privatvermögen gehalten werden, auch über vermögensverwaltende Personengesellschaften.
Als „gewichtige“ Fälle gelten solche, bei denen der Anleger entweder zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens einem Prozent an den ausgegebenen Investmentanteilen beteiligt war oder bei denen die Anschaffungskosten der Anteile im Zeitpunkt des Wegzugs oder der Veräußerung mindestens 500.000 Euro betrugen.
Spezial-Investmentanteile sollen unabhängig von der Beteiligungshöhe oder den Anschaffungskosten generell als „wesentlich“ gelten.
Nicht betroffen sind u.a. Anteile, die im Betriebsvermögen gehalten werden, da hier bereits die sog. Entstrickungsbesteuerung greift.
Auslösende Ereignisse
Wie bisher bei Anteilen an Kapitalgesellschaften löst eines der folgenden Ereignisse die Wegzugsbesteuerung bei Investmentanteilen aus:
Wegzug aus Deutschland: Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts.
Unentgeltliche Übertragungen an Ausländer: Zum Beispiel Schenkung oder Erbschaft an Personen, die in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind.
Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts: Wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen aus anderen Gründen beschränkt oder ausgeschlossen ist.
Besteuerungsfolgen
Kommt es zur Wegzugsbesteuerung, gelten die betroffenen Investmentanteile als fiktiv veräußert. Der Steuerpflichtige hat die Veräußerungsgewinne zu versteuern, obwohl kein Veräußerungserlös erzielt wurde. Die Besteuerung kann sich auch auf Wertsteigerungen beziehen, die vor dem 1. Januar 2025 entstanden sind.
Die Steuerschuld wird im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung festgesetzt und ist grundsätzlich innerhalb eines Monats fällig. Eine Stundung, z.B. in sieben gleichen Jahresraten, ist möglich, allerdings meist nur gegen Sicherheitsleistung und unter Einhaltung bestimmter Mitwirkungspflichten. Werden diese Pflichten verletzt oder tritt ein anderer Widerrufstatbestand ein, wird die Steuer sofort in voller Höhe fällig.
Auch die Rückkehrerregelung bleibt bestehen: Wer innerhalb von sieben Jahren nach Deutschland zurückkehrt, kann die Wegzugsbesteuerung rückwirkend aufheben. Hierfür gelten allerdings strenge Voraussetzungen, insbesondere dürfen die Investmentanteile in diesem Zeitraum nicht veräußert oder übertragen werden und es dürfen keine Ausschüttungen erfolgen, die bestimmte Schwellenwerte überschreiten.
Beispiel
Sachverhalt: A hat in einen ETF-Sparplan (MSCI World) investiert. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 600.000 Euro. Mittlerweile ist der Wert des Portfolios auf rund 1.600.000 Euro gestiegen. A wandert zum 01.01.2025 nach Duabi (Vereinigte Arabische Emirate) aus.
Folge: Durch den Wegzug löst A die Wegzugsbesteuerung für seine ETF-Anteile aus. Die stillen Reserven betragen rund 1.000.000 Euro (1.600.000 Wert abzüglich 600.000 Euro Anschaffungskosten). Auf diesen Betrag wird unter Berücksichtigung etwaiger Teilfreistellungen die entsprechende Steuer erhoben. Die Steuer wird fällig, ohne dass A tatsächlich verkauft hat. A kann die Steuerlast unter Umständen stunden, muss aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen und gegebenenfalls Sicherheiten leisten.
Mögliche Handlungsoptionen
Betroffene Investoren sollten rechtzeitig handeln, um die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden oder zu minimieren. Dazu gehören beispielsweise
Streuung der Anlagen: Durch die Verteilung des Vermögens auf mehrere Fonds kann verhindert werden, dass die relevanten Schwellenwerte bei einem einzelnen Fonds überschritten werden.
Vorausschauende Gestaltung: Wer einen Wegzug plant, sollte frühzeitig professionelle Beratung in Anspruch nehmen, um die steuerlichen Konsequenzen abzuschätzen.
Nutzung von Rückkehrregelungen: Wer beabsichtigt, innerhalb von sieben Jahren nach Deutschland zurückzukehren, kann unter bestimmten Voraussetzungen die Erhebung der Wegzugsteuer rückgängig machen.
Da die Regelungen komplex sind und weitere Verschärfungen möglich erscheinen, ist eine individuelle und frühzeitige steuerliche Beratung unerlässlich.
Ausblick und Fazit
Die Ausweitung der Wegzugsbesteuerung auf Investmentfondsanteile ab dem 1. Januar 2025 macht deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber bestrebt ist, die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei Wegzug, Schenkung und Erbschaft ins Ausland weiter einzuschränken. Zwar stehen diese Neuregelungen im Verdacht, gegen EU-Recht zu verstoßen, bis zu einer möglichen gerichtlichen Klärung müssen sich die Betroffenen jedoch mit den neuen Anforderungen arrangieren.
Für vermögende Privatpersonen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen oder Auslandsvermögen auf Angehörige im Ausland übertragen wollen, ist die Situation deutlich schwieriger geworden. Deshalb gilt: Frühzeitig informieren, Gestaltungsmöglichkeiten prüfen und gegebenenfalls vor dem Wegzug eine fundierte steuerliche Beratung in Anspruch nehmen.
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